2. Das Ei wird gesucht

Seppel und Kasperl hatten sich schnell die große, warme Decke aus Seppels Bett geholt und waren sofort wieder zurück in den Wald gelaufen. Nachdem Seppel noch ein paarmal über einige Stöcke gestolpert war, kamen sie zu dem Platz zurück, wo sie das Ei zuletzt gesehen hatten. Aber hatten sie sich verlaufen – wo war es denn? Seppel meinte: „Ja sag mal Kasperl, haben wir die Geschichte von dem Ei bloß geträumt? Da ist ja gar nichts mehr!“ Kasperl dachte angestrengt nach: „Das ist doch eine verzwickte Geschichte! Ich hab es doch sogar noch angefasst! Nein, wir können es nicht geträumt haben, sonst hätten wir ja beide denselben Traum haben müssen, und das geht doch überhaupt nicht.“ Er bückte sich, schlich um die hohen Bäume. Da blitzte vor ihnen auf dem braunen Boden etwas zwischen den Tannennadeln auf. Kasperl ging näher heran und ja, da lagen sehr kleine Sternchen am Boden! „Seppel komm, schau dir das an! Diese Sternchen haben wir vorher noch nicht gesehen!“ Seppel aber lief zu einem tiefer hängenden Ast einer Buche und hob etwas auf. „Kasperl schau, da ist ein blaues Stückchen Stoff. Woran erinnert dich das?“ Kasperl hatte nun eine Ahnung, er zählte eins und eins zusammen und rief: „Oh, dieser Zauberer Horakel! Der ist hier gewesen. Das ist ein Stück von seinem großen Umhang und diese kleinen Sterne sprühen ja immer aus seinem Zauberstab. Das hab ich schon gesehen. Der hat sicher das große Ei zu sich in sein Zauberschloss mitgenommen. Ich weiß, dass er immer alles haben will, was ihm gut gefällt. Und dieses große Ei hat ihm sicher sehr gut gefallen.“ Seppel hüpfte von einem Bein auf das andere und rief: „Das ist aber ganz gemein, wir laufen schnell zum Schloss und schauen nach, was mit dem Ei passiert.“
Die zwei Freunde liefen durch den tiefen Wald, denn sie wussten nur zu gut, wo der Zauberer wohnte. Das Zauberschloss lag auf einer Insel, umgeben von einem tiefen Wassergraben. Es gab nur eine Brücke hinüber zum großen Tor. Wie sollten die Freunde da hineinkommen? Doch da kam ihnen der Zufall zu Hilfe. Der Zauberer Horakel hatte Tiere sehr gerne und deshalb lebte in seinem Schloss eine Herde weißer Schafe. Diese kamen gerade laut blökend zurück von der Wiese, auf der sie den ganzen Tag über frisches Gras und bunte Blumen gefressen hatten. Wie von Geisterhand öffnete sich das große Tor zum Inneren des Schlosses. Kasperl und Seppel machten sich so klein wie die Schafe und legten die warme Decke über sich, und so schlichen sie sich zwischen den Schafen hinein in das Innere des Schlosses. Hinter ihnen ging ganz leise das große Tor wieder zu. Sie waren drinnen und suchten sich sofort ein Versteck hinter einem Stapel Holz.
Die Schafe gingen alle, wie von Fäden gezogen, hinein in ihren warmen und gemütlichen Stall um darin die Nacht zu verbringen. Doch wo sollten Kasperl und Seppel jetzt anfangen zu suchen? Wo konnte der Zauberer das Ei hingebracht haben? Es gab so viele Türen, Treppen und auch Stallungen. Die Freunde begannen nachzudenken: „Kasperl“, flüsterte Seppel, „meinst du wir sollten in den Keller gehen und mit unserer Suche beginnen?“ „Ich habe auch gerade darüber nachgedacht, aber es handelt sich ja um ein Ei, vielleicht hat er einen Stall dafür vorbereitet, weil er denkt, dass ein großer Vogel aus dem Ei schlüpft? Wir sollten zuerst einmal in den ganzen Ställen seiner Lieblingstiere auf Suche gehen.“ Kasperl schlich, noch immer unter der Decke versteckt, zu der nächstgelegenen Stalltür. Seppel musste einfach mitschleichen, sie hatten sich ja beide versteckt. Sie spähten in das Innere, es war dunkel und roch, ja nach was roch es denn. „Seppel, hast du eine Ahnung welche Tiere so riechen?“ „Ich denke es könnte sich um Hühner handeln. Mir juckt schon die Nase von den vielen Federn da drinnen.“ Kasperl schlich geduckt hinein in den dunklen Raum. Ja, Seppel hatte recht gehabt! Auf dem Boden lag frisches Stroh und auf Stangen, die quer durch den Raum schwebten, saßen die merkwürdigsten Hühner, die Kasperl und Seppel jemals gesehen hatten. Manche hatten Federn, die waren rosarot, andere wieder hellblau und dazwischen welche, die sahen aus wie Schokolade. Auf einem Stock saßen Hühner mit goldenen Federn und daneben welche mit kleinen silbernen Sternchen an den Flügelspitzen. Alle sahen sehr gesund aus und taten so, als ob sie die Besucher gar nicht bemerkten. In einer Ecke lag ein Nest für die Eier, und Kasperl und Seppel trauten ihren Augen nicht! Die Eier sahen so aus wie die Hühner! Manche hatten Sternchen als Muster und andere sahen aus, wie aus purem Gold. „So ein Zauberer müsste man sein“, sagte Seppel anerkennend. „Da könntest du Pfannenkuchen backen, die nachher aussehen wie rote Erdbeermarmelade oder wie dunkelbraune Schokolade“. Während Seppel das Wasser schon im Mund zusammen lief schlich Kasperl weiter in den nächsten Raum. Ja, und was lag da? Auf einem Nest aus frischem Stroh, gelb und fein duftend, da lag es – ihr großes Ei!
Aber es war nicht alleine – davor saß auf einem kleinen hölzernen Hocker er – der Zauberer Horakel!
Er starrte auf das Ei und wartete scheinbar ganz gespannt auf etwas. Auf Kasperl und Seppel achtete er gar nicht. Er murmelte: „Ich möchte so gerne da hinein schauen. OOOh, ist das Ei schön. Was da wohl drin ist. Ich möchte doch so gerne einen Freund für mich ganz alleine haben. Vielleicht sitzt er da drin! Der gehört mir dann ganz alleine, wenn er erst einmal herauskommt!“
Während der Zauberer ganz aufgeregt mit sich Selbstgespräche führte, kamen Kasperl und Seppel angeschlichen. Die Hühner aus dem Nebenraum fingen jetzt aber plötzlich ganz laut an zu gackern und mit den Flügeln zu schlagen, so dass Horakel aus seinen Gedanken gerissen wurde und sich plötzlich in die Richtung des Lärms umdrehte. Kasperl und Seppel konnten sich gerade noch mit einem Sprung hinter eine große Kiste retten.

Magst du das Schloss des Zauberers malen?

Schneide dir ein Huhn aus und male es so an, wie die Hühner des Zauberers aussehen. Male sie aber auch so, wie deine Lieblingshühner aussehen könnten.

Wenn du magst, dann kannst du an einen Ast deine Hühner hängen und damit dein Zimmer verschönern.

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